Das Fest
Für Jakob hört das Leben mit fünfzig eher auf, deshalb will er von seinem Geburtstag auch nichts wissen und vom feiern schon garnicht. Seine Karriere als Regisseur läuft nicht und in Liebesdingen sieht es auch eher mau aus. Doch seine langjährige Freundin Ellen schickt ihn los und wie es der Zufall so will trifft er die Menschen aus seinem Leben. Und so kommen Erinnerungen hoch. Was ist aus Mentoren, Mentorinnen, Freunden und Freundinnen geworden? Ist sein Leben tatsächlich so deprimierend? Hat er es wirklich so schlecht getroffen? Entgegen aller Erwartungen und entgegen aller Unbill fängt Jakob langsam an, sich an dem Geburtstag zu erfreuen.
Runde Geburtstage können schon Meilensteine sein im Leben. Auf manche freut man sich, manche sehnt man herbei, andere bedeuten, der Höhepunkt ist erreicht. Und dann? Vielleicht hat man dann wirklich kein großes Interesse mehr am Feiern. Doch was ist, wenn man eine Freundin hat, die nicht zulassen will, dass man sich davonstiehlt? Vielleicht findet man doch Gefallen an dem Tag findet. Und die Freundin? Warum macht sie sich die Mühe? Sie kann nicht sicher sein, dass der Tag oder die Party ein Erfolg wird. Jedoch sie muss es einfach versuchen.
Die etwas melancholische Grundstimmung dieses Geburtstagskinds wird von der Vorleserin dieses knapp zweieinhalb Stunden langen Hörbuchs sehr gut dargebracht. Man folgt ihr gerne auf Jakobs Weg durch seinen Geburtstag. Manchmal denkt man, das kann doch jetzt nicht sein. Manchmal freut man sich mit ihm, wenn er alte Weggefährten trifft und sie gemeinsamen Erinnerungen nachhängen. Wie unterschiedlich die Erinnerungen sind, intensiv, tragisch, lustig und auch schön. Vielleicht findet man selbst beim Zuhören schneller Gefallen an diesem Geburtstag als der Jubilar selbst. Wenn aber auch der sich langsam für seinen Tag erwärmt, ist es umso schöner. Wie eine Glocke, die sich hebt, so hebt sich im Verlauf des Buches auch die Stimmung. Das ruhige Covermotiv rundet das stimmig Bild ab.
Wem der Sinn nach einer unterhaltsamen, amüsanten und nostalgischen Sommerfrische steht, der sollte sich auf „Das Fest“ von Margaret Kennedy einladen lassen. An Cornwalls malerischer Küste kann man eine reizvolle Woche im Hotel Pendizack verbringen, die ihren leicht antiklimaktischen Abschluss in einer weinseligen Party hoch oben auf den Klippen findet. Das Hotel ist, nicht zuletzt wegen der Rationierungen der Nachkriegszeit, in der der Roman spielt, zwar kein besonders luxuriöser Ort, aber das Personal und die Gäste des Feriendomizils machen dieses Manko allemal wett.
Margaret Kennedy zeigt gleich in den ersten Kapiteln eindrucksvoll, dass sie ihr Handwerk ausgezeichnet versteht. Verschiedene Perspektiven werden durch die unmittelbaren Erzählformen Brief und Tagebuch eingebunden, für eine abwechslungsreiche Lektüre mit ausgezeichneten Einblicken in das Seelenleben der Figuren ist von Anfang an gesorgt. Die Stärke des Romans liegt in seiner Figurenzeichnung, die allerdings – so paradox es klingen mag – gleichzeitig auch Anlass zu Kritik bietet. So gelingt es Kennedy, die Figuren durch fortschreitende Eigen- und Fremdcharakterisierung während des Romanverlaufs immer weiter zu demaskieren. Wie ein Puzzle fügt sich ein Teil ins andere und das Bild, das der Leser von einer Figur hat, wird Schicht um Schicht ergänzt. Dadurch wird allein die genauere Betrachtung der Bewohner und Mitarbeiter des Hotels schon zu einem kleinen, sehr angenehmen Krimivergnügen. Das ist erzählerisch und vom Handlungsverlauf außerordentlich gut durchdacht und umgesetzt.
Die Schwäche der Figurenzeichnung liegt hingegen darin begründet, dass Margaret Kennedy bei ihrem Romanpersonal Komplexität vermissen lässt. Alle Figuren (bis auf den Chauffeur Bruce, mit dem Kennedy nicht sehr viel anzufangen weiß) lassen sich fein säuberlich in die Kategorien „Gut“ und „Böse“ einteilen, was bei aller Unterhaltung und Nachvollziehbarkeit dann doch zu viel der Schwarz-Weiß-Zeichnung ist und zu einer gewissen Vorhersehbarkeit beiträgt, die aus dem didaktischen Ansatz des Romans resultiert. Hierbei darf man natürlich nicht vergessen, dass der Roman bereits 1950 zuerst veröffentlicht wurde und dadurch ein gewisser Zeitgeschmack in den Text einfließt, der sich nicht unbedingt mit dem heutigen deckt.
Wer darüber hinwegzusehen vermag, wird dennoch mit einem herrlichen Lesevergnügen belohnt, das interpretatorisch deutlich mehr Tiefe aufweist als das Thema „Menschen im Hotel“ vermuten lässt. Hinzu kommt das sehr altmodische Flair, die kleinen Mini-Rätsel-Stränge und Andeutungen, die in den Text eingestreut werden und der insgesamt sehr angenehme Lesefluss und vor allem der subtile Humor und die sehr gute Situationskomik.
Ich für meinen Teil wünsche mir sehr viel mehr Romane dieser Art, die das Heitere mit dem Ernsten geschickt verbinden, amüsant und mit Leichtigkeit erzählen, ihre Figuren in den Mittelpunkt stellen und einen köstlichen, fesselnden und nostalgischen Ausflug in eine andere Zeit bieten.
Die englische Schriftstellerin Margaret Kennedy war mir bislang kein Begriff. Dabei schrieb die Ende des 19. Jahrhunderts geborene Autorin zahlreiche Romane, die zum Teil auch verfilmt wurde. Der Schöffling und Co Verlag legte nun den 1950 im Orginal erschienen Titel wieder auf. Der Roman wurde von Mirjam Madlung ins Deutsche übersetzt und liegt nun in einer ansprechenden Gestaltung vor. Es handelt sich um eine Art Sommerkrimi, der allerdings auch einen hohen Unterhaltungswert hat.
Die Geschichte spielt im Jahr 1947. Schauplatz ist das Hotel Pendizack, welches an der malerischen Küsteninsel Cornwalls liegt. Man spürt die Nachwirkungen des Zweiten Weltkrieges, nicht nur, da das im Familienbesitz befindliche Gebäude aufgrund von Geldnot zu einem Hotel umfunktionalisiert wurde. In diesem Hotel finden sich nun Menschen zusammen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Sie verbringen eine gewisse Sommerzeit miteinander, im Bewusstsein, danach wieder auseinanderzugehen. Dass für Einige unter ihnen der Sommerurlaub katastrophal enden, während Andere durch ein in der Nähe stattfindendes Fest davon kommen würden, konnte keiner von Ihnen wissen. Die Leserschaft erfährt jedoch gleich im Prolog von einem katastrophalen Unglück, bei dem Einige der Hotelgäste durch einen Erdrutsch ausgelöst im Hotel begraben ihr Leben lassen müssen. Was passieren wird, ist folglich von vornherein bekannt. Das Rätsel betrifft nun Fragen nach den genaueren Ursachen der Katastrophe sowie insbesondere Knobeleien, wer unter den Opfern sein und wer überleben wird. So verleiht Kennedy ihrer Geschichte eine gehörige Portion Spannung und erinnert in stilistischer Hinsicht ein wenig an die große und weitaus bekanntere Autorin Agatha Christie.
Es war durchaus interessant, die Charaktere der bunt zusammengewürfelten Hotelgäste und deren sich entwickelnde Beziehungen zueinander kennenzulernen. Allerdings muss ich zugeben, dass ich gerade zu Beginn Probleme hatte, mir das Personal zu merken. Im Roman schwimmen durchaus auch religiöse Motive mit (7 Todsünden), was mir ganz gut gefiel. Insgesamt war es eine schöne, stimmungsvolle Sommerlektüre, die mich persönlich aber zu keinem Zeitpunkt richtig ergriffen hat. Aus diesem Grunde gebe ich insgesamt 3 Sterne für eine solide schriftstellerische Leistung mit Unterhaltungswert. Den Namen Kennedy werde ich aber mal im Hinterkopf behalten, um gegebenfalls noch ein weiteres Werk zu lesen.
Herrlich erfrischend
" Das Fest" aus der Feder von Margaret Kennedy ist ein sehr erfrischendes Buch, ich habe mich von Anfang gut unterhalten gefühlt.
Der Schauplatz des Romans ist das Hotel Pendizack an der Küste Cornwalls. Einige illustre Gäste kehren dort ein, und natürlich wird der Leser schnell über deren Marotten und Eigenarten in Kenntnis gesetzt. Aber auch die Besitzer des Hotels, die Sidals, mit ihren Kindern werden unter die Lupe genommen. Alle, aber auch wirklich alle haben irgendetwas interessantes in die Handlung einzubringen. Auch beim Personal ist es so, der Leser braucht zwar ein wenig sich wegen der Fülle der auf ihn einprasselnden Personen zurechtzufinden, doch das gelang mir sehr zügig.
Doch neben den verschiedenen Menschen, der Beschreibung dieses entzückenden Fleckchen Erde, existiert eine dunkle Bedrohung, die immer präsenter und konkreter wird, je weiter der Roman voranschreitet. Der Leser weiß direkt, was auf diese armen Menschen zukommen wird, doch er weiß nicht, wer sterben und wer überleben wird. Schnell entwickelt man eigene Vorlieben, hofft das gewisse Personen sich nicht unter den Opfern finden werden. Alles wird sich entscheiden, bei dem Fest…….
Mir hat unheimlich gut gefallen, dass man sich zu jeder Figur direkt eine passende Meinung bilden konnte. Da gibt es zum Beispiel Mrs Gifford, die sich in ihrer Krankheitsrolle sehr wohl zu fühlen scheint, die gerne das Bett hütet, sehr mager ist, deren Diät, die angeblich vom Arzt verordnet wurde, allerdings nur die leckersten Gerichte beinhaltet.
Dann checkt Kanonikus Wraxton samt Tochter Evangeline ein, er ein Choleriker und Despot wie er im Buche steht, sie sehr schüchtern und verunsichert, wegen der Tyrannei des Vaters.
Die Sidals haben sich mit dem Hotel große Ziele gesetzt. Mrs Sidal ackert den ganzen Tag, während ihr Mann nur herumschwafelt. Die Jungs sind nicht vom gleichen Holz, auch das bringt Zündstoff, doch alle wollen, dass das Hotel erfolgreich geführt wird, und einen erholsamen Unterschlupf für die Gäste bietet.
Mein persönlicher Favorit dieser Geschichte war das Zimmermädchen Nancibel, das so herrlich erfrischend und gerecht daher kommt, sie trägt das Herz am rechten Fleck, um so banger wird dem Leser, wenn sie sich auf den jungen Chauffeur einlässt, der gemeinsam mit der berühmten Schriftstellerin Anne Lechene angereist kommt.
Das Gegenstück zu Nancibel ist die geschwätzige Miss Ellis, die wenig arbeitet, aber der Meinung ist, dass sie den gesamten Hotelbetrieb am Laufen hält.
Ein paar Charaktere gibt es noch, doch es würde den Rahmen sprengen hier alle aufzuführen, auch wenn alle natürlich gemeinsam zu dieser spannenden und humorvollen Handlung beitragen.
Der Roman ist locker und leicht geschrieben, hat es aber dennoch in sich. Ich war sehr angetan und kann ihn Wärmsteins empfehlen!
Wer auf der Suche nach einer äußerst unterhaltsamen und trotz eines tragischen Ereignisses vergnüglichen, jedoch keinesfalls flachen Lektüre ist, dem möchte ich wärmstens einen modernen Klassiker der englischen Autorin Margaret Kennedy (1896 – 1967) empfehlen. Der Schöffling Verlag hat ihren neunten Roman "Das Fest" aus dem Jahr 1950 mit einem herausragend passenden Cover veröffentlicht, für mich eine großartige Entdeckung.
Das Unglück
Bereits im Epilog erfahren wir von einer Tragödie, die sich im Sommer 1947 in einem Küstenstädtchen in Cornwall ereignet hat. Herabstürzende Klippen haben ein Hotel unter sich begraben samt allen, die sich zum Zeitpunkt des Unglücks darin aufhielten, obwohl es rechtzeitig eine Warnung gegeben hatte. Glück im Unglück war das zeitgleich stattfindende titelgebende Fest außerhalb des Unglücksbereichs, ein Picknick, dessen Teilnehmerinnen und Teilnehmerin körperlich unversehrt blieben. Nur von einem Opfer erfahren wir bereits an dieser Stelle, aber wer sind die anderen? Wieviele der 23 Personen, Hotelgäste, Besitzerfamilie und Angestellte, sind umgekommen?
Literarisches Rätselraten
Es braucht Geduld, um dies zu erfahren, denn Margaret Kennedy spannt ihr Publikum bei vielen von ihnen bis zu den letzten Seiten auf die Folter, lässt sie ihre Pläne ändern und bringt Zufälle ins Spiel. Diese krimihafte Spannung einerseits und die eigene, moralisch nicht ganz einwandfreie Positionierung – wer soll überleben, wen soll das grausame Schicksal ereilen? – machen einen großen Teil des Lesevergnügens aus. Ein anderer Teil besteht in der Beschreibung der denkwürdigen und eigenwilligen Charaktere und der lebensverändernden Entwicklungen, die einige von ihnen in der dem Unglück vorausgehenden Woche durchmachen. Diese sieben Tage von Samstag bis zum Fest- und Katastrophen-Freitag bilden in sieben mit den Wochentagen überschriebenen Kapiteln den Hauptteil des Romans. Andere Figuren wiederum, insbesondere Mütter und Väter, sind charakterlich untragbar und völlig erstarrt, sieben lassen sich gar mühelos als Verkörperung der sieben Todsünden Hochmut, Habgier, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit identifizieren. Aber da das Leben bekanntermaßen nicht fair ist, gibt es keine Überlebensgarantie für die Fleißigen, Hilfsbereiten, Selbstlosen, Freundlichen, Friedfertigen und Großzügigen, die man so gerne gerettet sähe – oder doch?
Ein bunter Haufen
Die Gäste, die sich im malerisch gelegenen, etwas heruntergekommenen Hotel Pendizack, dem aus Geldnot umfunktionierten Familiensitz der ebenfalls anwesenden Siddals, ein Bad teilen und manchmal mehr schlecht als recht miteinander auskommen, sind ein bunt zusammengewürfelter Haufen, ebenso wie die drei Angestellten. Sieben Kinder aus zwei Familien sind unter ihnen. Das Verhalten ihnen gegenüber wird am Ende ausschlaggebend für Tod oder Überleben sein.
So geht gehaltvolle Unterhaltungsliteratur
Dass man jederzeit den Überblick über die illustere Schar behält, ist ein großes Verdienst der Autorin, ebenso wie ihre sprachliche Gewandtheit, ihre leichte Hand und feine Ironie. Bedauert habe ich nur die unnötig gehäuften Druckfehler, über die ich jedoch dank des präzise durchdachten Handlungsaufbaus, der abwechslungsreichen Erzählweise mit eingebauten Briefen, Tagebucheinträgen, einer Predigt, inneren Monologen, vielen Dialogen und Streitgesprächen zur politischen und wirtschaftlichen Situation im Nachkriegsengland mit den daraus resultierenden Nöten und gesellschaftlichen Umbrüchen hinwegsehen konnte. Kein Wunder also, dass ich diese Mischung aus Moralgeschichte, Gesellschaftskomödie, Nachkriegstragödie und Familienroman von Beginn an kaum noch aus der Hand legen konnte.
Bitte weitere Übersetzungen von Margaret Kennedy!
Hotels bieten hervorragende literarische Schauplätze, um interessante Geschichten zu erzählen. Das Hotel Pendizack, das von Familie Siddal betrieben wird, liegt unterhalb der idyllisch gelegenen Felsküste Cornwalls. Wir schreiben das Jahr 1947, die Nachwirkungen des Krieges sind nicht nur durch die Existenz von Bezugsscheinen spürbar. Die Menschen, die ein paar erholsame Tage im Hotel verbringen wollen, könnten unterschiedlicher kaum sein. Margaret Kennedy (1896 – 1967) versteht es, uns ihr buntes Figurenpersonal sorgfältig und liebevoll gezeichnet vorzustellen. Sie verwendet dafür unterschiedliche Methoden: in erster Linie natürlich Beschreibungen, Gedanken und Dialoge. Darüber hinaus aber auch persönliche Aufzeichnungen, Tagebucheinträge oder Briefe. Die Kapitel sind kurz, dadurch verändern sich die Perspektiven laufend. Der Text liest sich ebenso fesselnd wie unterhaltsam. Dabei ist er keinesfalls seicht. Je nachdem, wie intensiv man sich mit ihm auseinandersetzt, tauchen weitere Ebenen oder tiefergehende Deutungsmöglichkeiten auf. Der Stil ist klassisch, aber geschliffen. Es macht Spaß, die zahlreichen Informationen wie Puzzlesteine zu sortieren und einzuordnen, so dass sich ein leichtes Krimi-Flair beim Lesen einstellt: Wer gehört zu den Toten und warum? Ein fantastisches Konstrukt!
Bereits zu Beginn ist klar, dass ein schreckliches Unglück passiert ist: Das Hotel wurde unter den herabstürzenden Klippen begraben, es gab mehrere Tote. Die Romanhandlung beleuchtet das Geschehen während der letzten Woche vor dem Unglück, die Abschnitte sind mit den entsprechenden Wochentagen überschrieben. Der Fokus wird auf Charaktere und Interaktion der Hotelbewohner gelegt. Jeder hat seine eigenen Probleme und Geheimnisse. Wir lernen zwei Familien aus unterschiedlicher sozialer Schicht mit je drei Kindern kennen, jedoch keine fürsorgliche Mutter. Die Kinder beider Familien sind sich schnell einig, um so manches Abenteuer miteinander erleben zu können. Eine andere Frau besitzt zwar mütterliche Qualitäten, hat ihr Kind jedoch verloren – ein Verlust, der das Verhältnis zu ihrem Ehemann noch Jahre später stark belastet. Ein Vater schikaniert seine erwachsene Tochter fast bis zum Irrsinn. Zu guter Letzt reist eine mondäne Autorin mit ihrem vielseitig begabten Sekretär an… Dazu Familie Siddal und das Personal - ein Mikrokosmos, der auf gesellschaftliche Strömungen und Verwerfungen aufmerksam macht.
Mrs. Siddal schafft die Arbeiten rund ums Hotel nicht allein. Ihr Mann widmet sich mit Vorliebe klugen, philosophischen Gedanken, ist aber völlig lebensunpraktisch. Die drei fast erwachsenen Söhne haben überwiegend andere Interessen. So sollen Angestellte für geschmierte Abläufe sorgen: Hausdame Mrs. Ellis versteht viel von Indiskretion und Klatscherei, wenig allerdings von Hotelführung. Ohne die beherzte, fleißige Nancibel, der von Beginn an die Sympathien des Lesers gelten, wäre das Unternehmen wohl zum Scheitern verurteilt. Über allem schwebt die latente Gefahr, deren Anzeichen ungehört verhallen.
Die stimmige Figurenkonstellation wird zum Garant dieses facetten- und abwechslungsreichen Romans, in dem es viele zwischenmenschliche Entwicklungen zu beobachten gibt. Teilweise tun sich emotionale Abgründe auf. Mit dabei sind natürlich auch diverse Liebeswirren oder Kinderspiele, die völlig aus dem Ruder laufen. Titelgebend ist das Fest, das den Kindern zuliebe sorgfältig geplant wird und am Freitag am Strand stattfinden soll. In nur einer Woche kann viel geschehen.
Ich habe den Roman mit großer Freude gelesen. Die Autorin vermag es, die verschiedenen Handlungsstränge gekonnt zu verweben. Zu keiner Zeit verliert sie den Überblick und bringt alles zu einem glaubwürdigen, geschickt konzipierten Ende. Beeindruckend ist die Kombination aus traditioneller Erzählkunst, pointierten Dialogen und britischem Humor mit Tiefgang. Trotz des leichten, unkomplizierten Tons werden existentielle Themen angesprochen und die Härte der Nachkriegsjahre widergespiegelt. Es finden sich wunderschöne Beschreibungen und Bonmots im Text. „Das Fest“ ist ein außergewöhnlicher Roman, der ein breites Publikum begeistern sollte. Er eignet sich bestens für Lesekreise.
Große Lese-Empfehlung!
Die englische Autorin Margaret Kennedy ( 1896 - 1967 ) wählte für ihren Roman „ Das Fest“ einen in der Literatur beliebten Handlungsort: ein Hotel. Das bietet die Möglichkeit, in einem beschränkten lokalen und zeitlichen Rahmen eine Gruppe von Menschen unterschiedlichster Art aufeinandertreffen zu lassen, von den Gästen bis zum Personal.
Allerdings ist das Hotel hier zu Beginn des Romans bereits Geschichte, begraben unter einem riesigen Felsblock und mit ihm der Eigentümer, sowie ein Teil der Gäste und der Bediensteten. Das erfährt der Leser schon im Prolog. Der örtliche Pfarrer sieht sich vor die Aufgabe gestellt, eine Predigt zu entwerfen für den ungewöhnlichen Trauergottesdienst.
Nach dieser kurzen Eingangsszene geht die Autorin zurück in die Woche vor der Katastrophe.
Wir sind im Sommer 1947. Die Familie Siddal betreibt das Hotel Pendizack, malerisch an den Klippen von Cornwall gelegen, aber etwas heruntergekommen. Nach und nach treffen die Gäste ein, eine bunte Truppe unterschiedlichster Figuren.
Da gibt es die wohlhabende Familie Gifford mit ihren vier Kindern, der eigenen Tochter Caroline und den drei Adoptivkindern. Lady Gifford scheint an einer sonderbaren Krankheit zu leiden, die sie zwingt, nur das Beste zu essen und den Tag im Bett zu verbringen. Zeitgleich trifft eine verbitterte Witwe mit ihren drei Töchtern ein. Schon länger im Hotel ist das ältere Ehepaar Paley. Es verbringt seine Tage zurückgezogen und schweigsam. Beide sind unglücklich, leiden, jeder für sich, unter dem Verlust ihres einzigen Kindes.
Zu ihnen gesellen sich bald der laut polternde Kanonikus Wraxton und seine völlig verschüchterte Tochter Evangeline sowie eine moralisch zweifelhafte Schriftstellerin mit ihrem Chauffeur.
Aber auch die Hoteliersfamilie und die Bediensteten, eine boshafte und klatschsüchtige Haushälterin und ein freundliches und hilfsbereites Dienstmädchen, werden von der Autorin liebevoll und mit spöttischem Humor vorgestellt. Alle haben ihre Vorgeschichten, ihre kleinen und größeren Geheimnisse, die der Leser nach und nach erfährt.
Dabei bedient sich Margaret Kennedy unterschiedlicher Textsorten, wie Briefe, Tagebuchaufzeichnungen, innere Monologe und erzählende Passagen. Das sorgt für Abwechslung und durch die multiperspektivische Erzählweise erhält der Leser einen differenzierten Blick auf alle Figuren und manches erscheint ihm später in einem völlig neuen Licht.
Die Gruppendynamik führt zu neuen Freundschaften, ja sogar zu Liebeleien, aber auch Streit und Zerwürfnisse bahnen sich an. Manche Figuren entdecken in sich ganz andere Seiten und entwickeln sich zum Positiven hin. Andere dagegen zeigen unverhüllt ihre wahre Natur.
Interessant hierbei ist, dass die Autorin die sieben Todsünden, also Stolz, Neid, Zorn, Habsucht, Trägheit, Völlerei und Wollust, in ihren Figuren veranschaulicht. Als Leser ist man nun auf der Suche, welche Person welche Todsünde verkörpert. Bei manchen fällt die Antwort leicht, andere können gleich mehrere negative Eigenschaften für sich verbuchen. Denen gegenüber stehen äußerst sympathische Protagonisten.
Das Unglück an den Anfang zu setzen und dabei offen zu lassen, wer betroffen ist, verleiht dem Roman eine ungeheure Spannung. Man weiß nur, dass die Besucher des titelgebenden Festes, ein nächtliches Picknick, sich zum Zeitpunkt des Unglücks nicht im Hotel befunden haben. Nun hofft man bis zum Ende, dass die Katastrophe diejenigen trifft, die sich als ausgesprochen egozentrisch und bösartig erweisen und die „ Guten“ davon verschont werden. Wobei man sich solche Gedanken natürlich verbieten müsste.
Allerdings schafft es die Autorin mühelos, dass man sehr schnell bestimmte Figuren ins Herz schließt und andere verabscheut.
Als Hintergrundrauschen sind der erst kurz zurückliegende Krieg und die Nachkriegszeit mit ihren Restriktionen und Rationierungen ständig präsent. Auch Fragen zu Moral und gesellschaftlicher Verantwortung werden im Roman gestellt.
Das Buch liest sich dabei aber äußerst unterhaltsam. Kurze Kapitel mit viel Dialog sowie die durchgehende Spannung sorgen dafür, dass man nur so durch die Seiten fliegt. Die Sprache ist geschmeidig, voller Witz und schöner Formulierungen. So ist „ Das Fest“ ein kluger, fesselnder und unterhaltsamer Roman, mit einigen ernsten Botschaften. Eine schöne Entdeckung, die auf weitere Übersetzungen der Werke Margaret Kennedys hoffen lässt.
Kurzmeinung: Wenn sie gut gemacht ist, ist nichts gegen leichte Lektüre einzuwenden.
Margaret Kennedy, 1896-1967, ist eine englische Schriftstellerin, die zu Unrecht fast in Vergessenheit gerät. Ihr Genre ist die leichte Muse, allerdings mit einigen Schnipseln Ernsthaftigkeit unterlegt und mit Esprit, Leichtigkeit und Sprachbeherrschung vorgetragen.
"Das Fest" erzählt von einer Begebenheit in Cornwall. Ein kleines Hotel voller Gäste. Der Roman spielt kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, die Menschen spüren die schwere Zeit noch in sich, sind geprägt von ihr. Eine der Leserschaft bereits vorweg offenbarte Katastrophe in Form eines Erdrutsches, der das Hotel unter sich begraben wird, bringt Bedrohlichkeit ins sommerliche Idyll. Wer wird drinnen sein und sterben?
Die Personenzeichnungen Margaret Kennedys sind zwar ein bisschen simpel und plakativ, aber liebevoll. Margaret Kennedys Stil ähnelt verblüffend dem der großen Agathe Christie. Auch die große Agathe zeichnet sich nicht durch großartige Charakterzeichnungen aus, es geht mehr um bestimmte Typen von Menschen. Diese aber sind gut beobachtet.
Sprachlich ist Margaret Kennedy gut aufgestellt, sie schreibt mit Esprit und zeichnet sich durch kreative Details aus und so ist die „Das Fest“ ein richtig wohlschmeckender leichter Sommerhappen. Vielleicht ist die Schreiberei von Margaret Kennedy ein bisschen das, was in der Bildenden Kunst die naive Malerei ist.
Fazit: Hoher Spaßfaktor. Einzig und allein die vielen Druckfehler beeinträchtigen das Lesevergnügen. Und der Schluss ist Geschmacksache. Für mich hätte es ein wenig mehr zur Sache gehen dürfen.
Kategorie: Leichte Unterhaltung
Verlag: Schöffling & Co
Mein Lese-Eindruck:
Der Roman beginnt mit einem Paukenschlag: Ein Pfarrer soll eine Leichenrede entwerfen für die sieben Opfer eines Felssturzes.
Was war passiert? Schauplatz des Geschehens ist das Haus Pendizack, an der Steilküste Cornwalls gelegen, direkt am Meer, am Fuß einer mächtigen Klippe. Dieses Haus wird von den verarmten Eigentümern, der Familie Siddal, zu einem behelfsmäßigen Hotel umfunktioniert. Und nun kommen Gäste unterschiedlichster Art. Sie bringen ihre eigenen Probleme und Geheimnisse mit und treten nun untereinander in Interaktion. Die Spannung des Romans rekrutiert sich also nicht aus dem ungewissen Ende, sondern daraus, dass der Leser rätselt, wer die sieben Opfer sind.
Die Autorin lässt sich einen ausgesprochen originellen erzählerischen Kunstgriff einfallen. Sie verbindet nämlich die kirchliche Lehre der sieben Todsünden mit diesen sieben Opfern, sodass für den Leser das Rätselraten beginnt: Zu welcher Person passt welche Todsünde? Gehört diese Person also zu den Opfern? Ändert sie ihr Verhalten bzw. Denken und gehört damit zu den Überlebenden? Oder eher nicht?
Zugleich bindet die Autorin die alttestamentarische Geschichte von Lot in ihren Roman ein, der als einzig Gerechter mit seinen Töchtern dem Gottesgericht über die sündige Stadt Sodom entging. Der Leser weiß also nun, dass dieser Felssturz eine Art Gottesgericht ist und dass es „Gerechte“, d., h. Unschuldige gibt, die der Katastrophe entgehen werden.
Damit ist dem Leser eine Aufgabe gestellt: er muss in den sieben Handlungstagen die sieben Gerechten finden – oder aber auf eine Positionierung verzichten und sich überraschen lassen.
Das hört sich nach schwerer Kost an. Dem ist aber nicht so. Die Autorin bietet dieses Thema nämlich in einer wunderbar leichtfüßigen Sprache an, durchmengt mit Wortwitz und dem, was man als britischen Humor bezeichnet. Die Komposition des Romans sorgt für zusätzliche Leichtigkeit, weil Briefe, Tagebucheinträge und innere Monologe die Handlung abwechslungsreich gestalten und zugleich dafür sorgen, dass dem Leser mehrere Perspektiven vorgeführt werden. Mit dieser Multiperspektivität führt die Autorin ihre Figuren dicht an den Leser heran und nutzt die Möglichkeiten, das Innenleben der Figur zu vermitteln. So gelingt es ihr, trotz der Fülle an handelnden Figuren jeder Person klare Umrisse zu verleihen, und der Leser sieht sich in der Lage, die Frage der sieben Todsünden präziser zu bedenken. Und sich ein bisschen wie Gott am Jüngsten Gericht vorzukommen.
Einige Szenen (z. B. ein schneller Wortwechsel, bei dem die Dialogpartner aneinander vorbeireden) erinnern an Slapsticks, das mag Geschmackssache sein. Bei anderen wiederum bedient sich die Autorin recht souverän filmischer Mittel, wenn sie z. B. Dialoge parallel montiert. Auch die schnelle Abfolge der Szenen führt dazu, dass der Roman leicht, spritzig und sehr unterhaltsam wirkt.
Und im Hintergrund steht immer die Zeitgeschichte: das England der Nachkriegszeit, das Kriegsgeschehen rund um London, die Flucht, Verarmung und die Rationierung von Lebensmitteln.
Meine Lieblingsfigur war Mr. Siddal, der Eigentümer des Hotels Pendizack. Zugegeben: Eigentlich ist er das, was man eine verkrachte Existenz nennt, und ein fauler Strick ist er auch, weil er es seiner Frau überlässt, den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Aber er ist ein Philosoph! Nicht nur, weil er Seneca zitiert. Er ist ein scharfer und intelligenter Beobachter der Menschen um ihn herum und erkennt die Bürde, mit der sie belastet sind. Zudem beobachtet er die Geschehnisse aus einer gewissen inneren Distanz und bringt das Beobachtete kurz und bündig auf den Punkt. Schade, dass die Autorin ihn nicht zu den Gerechten zählt. Er wäre eine Ausnahme wert gewesen!
Auch das Ende hat mich enttäuscht. Da bleiben einige Erzählfäden in der Luft hängen, und die Rückführung auf den Prolog hätte ich mir deutlicher gewünscht.
Trotzdem: ein spritziger Roman, der souverän verschiedene Erzähltechniken kombiniert und in seiner Lebendigkeit und Frische großen Lesespaß bereitet.
4,5 *
Ein gut zu lesender, leicht spannender Sommerroman mit eingebauter Katastrophe – viele unterschiedliche Personen im Hotel
Ein plakativ wirkendes Cover, das zeigt, was passiert ist und was der Leser von Anfang an weiß: ein Felssturz, ein Teil einer Klippe bricht ab und begräbt ein Hotel am Strand unter sich. Einige Menschen sind umgekommen, einige nicht. Und daraus bezieht das Buch seine Spannung. Wer war auf dem draußen stattfindenden Fest, wer nicht? Wer hat es verdient, wer nicht? - was natürlich eine ethisch unzulässige Frage ist, die sich aber dem Leser aufdrängt.
Wir befinden uns in der Zeit kurz nach dem Krieg, als einige Lebensmittel noch rationiert wurden, an einem fiktiven Ort in Cornwall. Wie das in Hotelromanen so ist, treffen hier unterschiedlichste Angestellte und Gäste aus verschiedenen Gesellschaftsschichten zusammen: arm und reich, faul und fleißig, intrigant, arrogant religiös, liebenswürdig und hilfsbereit – die ganze Palette menschlicher Typen.
In geschickter Weise durch verschiedene Textsorten wie Briefe, Tagebucheinträge, Dialoge mit philosphisch anmutenden oder gesellschaftskritischen Anmerkungen, etc. lernen wir in angenehm kurzen Kapiteln die Personen und ihre Beziehungen zueinander kennen. Dass es viele Konfliktpunkte gibt, versteht sich von selbst, ebenso, dass man einige Personen mag, andere nicht. Und das spielt durchaus eine Rolle, wenn man als Leser überlegt, wer es verdient hätte zu überleben... Wird es 'die Richtigen' treffen? Werden Unschuldige umkommen? Das soll natürlich nicht verraten werden.
Einige Sätze, die mir besonders gut gefallen haben:
Die sympathische Nancibel ist verliebt:
'Wogegen Bruce in ihrem Herzen plötzlich ein Fenster aufgerissen hatte, das auf eine seltsame, bisher unentdeckte Landschaft zeigte.' (311)
Oder Duff, Hotelierssohn, der die Musik über seine mögliche sexuelle Erfahrung mit einer älteren Schriftstellerin stellt: 'Er war überzeugt, dass er mit ihr nicht den gleichen Genuss empfinden könnte wie mit der g-Moll-Symphonie.' (329)
Oder der vielsagende Satz des intellektuell, philosophisch und gesellschaftskritisch daher redenden Mr. Siddal:
'Ich bin geboren, um zu sterben, und habe Verstand, um zu irren.' (355)
Fazit
Ein gut geschriebener, leichter Sommerroman, der bei weiterem Nachdenken durchaus seine Tiefen hat: die Personen und ihre Handlungen und Gedanken, ein Spiegelbild der verschiedenen Menschen wie sie sind. Die Sprache war für mich genau richtig: weder zu anspruchsvoll noch kitschig und das Gleiche gilt für die Personen, die vielschichtig und interessant gezeichnet wurden.
Der "nostalgische Sommerkrimi" der britischen Autorin (1896 - 1967) spielt 1947 im Hotel Pendizack, das malerisch am Fuße der Klippen von Cornwall liegt. Die Geschichte erzählt die letzten sieben Tage vor dem Felssturz, der das umfunktionierte Anwesen der Siddals zum Gästehaus unter Trümmern begräbt. Es ist die Geschichte, die Pfarrer Bott von den Überlebenden zu hören bekommen hat und die ihn an seiner Rede zur Totenmesse verzweifeln lässt. Denn anscheinend war es nicht einfach nur ein Unglück, welches über Gäste und Personal hereinbrach. Haben die sieben Todsünden göttliche Rache heraufbeschworen, oder war es menschliches Versagen?
Harmlos und fast idyllisch mutet es an, wenn wir einem Brief der Hausdame Miss Ellis an ihre Freundin Gertrude entnehmen können, dass ihre Arbeit recht mühselig, von dummen und faulen Personal noch erschwert und von der Arbeitgeberin Mrs Siddal nicht recht gewürdigt sei.
Aufmerksamer werden wir dann aber schon, wenn wir den Tagebucheinträgen eines Gastes folgen. Ihm und seiner Gattin lastet Schuld und Verlust, sie haben sich nichts mehr zu sagen.
Einem anderen Gast eilen schriftliche Bitten und Anweisungen voraus. Der Leser ahnt, dass das Hotelgeschäft ein sehr mühsames, wohl aber überlebenswichtiges Gewerbe ist, denn es ist kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Alte Hierarchien und Ordnungen gelten nicht mehr, das Publikum ist bunt gemischt und trägt seine Geheimnisse mit sich. Nur die Kinder aus den verschiedenen Schichten scheinen sich nach anfänglichem Misstrauen schnell zusammenzuraufen. Sie sind es auch, die das titelgebende Fest ins Leben rufen.
Doch bis es soweit ist, taucht der Leser immer tiefer in die Abgründe aller Beteiligten. Bald schon kann man sich vorstellen, wer die jeweiligen Vertreter von Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit sein könnten.
Anschaulich, abscheulich folgen wir diesen Sünden durch die Geschichte, kommen nicht umhin, im Geiste schon zu richten und werden doch noch mit Spannung hingehalten, wer es denn schafft, dem vernichtenden Urteilsspruch zu entkommen.
Der Roman wurde von Mirjam Madlung übersetzt. Dem Lektorat sind ein paar winzige Fehler duch die Lappen gegangen, doch schaden sie dem vergnüglichen Leseerlebnis mit Gänsehautfaktor nicht. Die politische Stimmung im Land, der Hunger der Menschen nach einschränkenden Jahren, die Aufbruchstimmung für neue Lebenspläne und die schnelle Anpassungsfähigkeit der Jugend, aber auch das Festhalten an alten Werten begleitet diesen Sommeraufenthalt an den Klippen Cornwalls. Und obwohl ich wusste, dass die Titanic sinkt, der Vesuv ausbricht und die Klippen stürzen, bin ich aufs Angenehmste überrascht, welche klug durchdachte Mühe sich Frau Kennedy mit ihren Protagonisten gibt. Jede einzelne Figur ist wichtig für dieses Ensemble an menschlichen Varianten von Schuld und Unschuld. Auf den ersten Blick vielleicht etwas plakativ, auf den zweiten aber definitv mit Kontext. Denn auch Frau Kennedy war ein Kind dieser Zeit, das hätte man in einem Begleitwort gern noch einmal hervorheben können.
Cornwall, im August 1947: Im etwas heruntergekommenen Hotel Pendizack trifft sich eine bunte Mischung von Personen aus den unterschiedlichsten Gesellschaftsschichten. Da ist beispielsweise die sehr arme Witwe Mrs. Cove, die mit ihren drei Töchtern sogar im selben Zimmer wohnt, um nur eines bezahlen zu müssen. Da ist Kanonikus Wraxton, ein zorniger Mann, dessen Tochter Evangeline offenbar an "Hysterie" oder Ähnlichem leidet. Oder die schwer kranke Lady Gifford, die sich mit ihrem Mann und den vier Kindern am Meer ein wenig von ihren Leiden erholen will. Sie alle eint nur eine einzige Sache: Sie haben sich in einem Hotel eingenistet, das dem Untergang geweiht ist. Denn in wenigen Tagen wird ein Felssturz das Gebäude unter sich begraben und nur diejenigen verschonen, die sich an jenem Abend zu einem Fest am Strand versammelt haben.
Wer glaubt, dass mit diesem Hinweis schon zu viel gesagt wurde, liegt falsch, denn schon das genial umgesetzte Cover, das in einem einzigen Bild den gesamten Klappentext darstellt, setzt den Felssturz und das dazugehörige Unglück als bekannt voraus. Vielmehr geht es um die Frage, wer überlebt und wer stirbt - und natürlich, wie es überhaupt zu diesem Unfall kommen konnte? Oder ist es vielleicht gar kein Unfall gewesen?
"Das Fest" von Margaret Kennedy (1896 - 1967) stammt ursprünglich bereits aus dem Jahre 1950. Nun ist es bei Schöffling & Co. in der deutschen Übersetzung von Mirjam Madlung erschienen. Der Verlag bezeichnet es im Klappentext als "nostalgischen Sommerkrimi aus England". Vielleicht ist es aber sogar noch mehr: ein hochspannender Pageturner, das Porträt einer vom Zweiten Weltkrieg gezeichneten Gesellschaft - oder einfach nur ein Fest der Literatur.
Denn Kennedy gelingt es nahezu spielend leicht, die Leserschaft hineinzuziehen in diese merkwürdige Ansammlung von Figuren und das drohende Unheil, das wie ein Damokles-Schwert über den Hotelgästen schwebt. Kennedy setzt dabei vor allem zu Beginn des Romans auf unterschiedliche literarische Stilmittel wie Briefe, Tagebucheinträge und erzählende Passagen. Das sorgt einerseits für Abwechslung und spielt andererseits mit zahlreichen Perspektivwechseln, so dass die Leser:innen gezwungen sind, ihre vorgefertigten Meinungen im nächsten Kapitel schon wieder zu überdenken, weil eine Figur plötzlich in einem ganz anderen Licht erstrahlt. Die Sprache, die sie dafür verwendet, verzichtet nahezu komplett auf literarische Spielereien und strahlt dennoch eine gewisse Eleganz aus. Das sorgt dafür, dass sich "Das Fest" unglaublich flüssig und unterhaltsam lesen lässt, ohne jedoch jemals in die Banalität abzurutschen. Denn dafür ist der Roman viel zu gewitzt und klug konzipiert. Margaret Kennedy fesselt ihr Publikum nicht nur durch die sich stetig und langsam aufbauende Spannung, sondern begeistert zwischendurch auch immer wieder mit sprachlichem Witz und Komik, die allerdings fern davon ist, sich über die Figuren lustig zu machen.
Ohnehin ist die Figurenkonzeption ein weiteres Plus des Buches. Obwohl es keine klassische Hauptfigur gibt, gelingt es der englischen Autorin, eine Bande zu den lieb gewonnenen Charakteren wie Zimmermädchen Nancibel oder den drei Cove-Töchtern zu knüpfen, die immer stärker wird, so dass man sich mehr oder weniger klammheimlich wünscht, dass diese doch vom Felssturz verschont bleiben mögen und stattdessen andere dran glauben sollen. Das ist clever, auch weil man sich als Leser:in moralisch hinterfragen muss: Ist es legitim, der einen oder anderen Figur den Tod zu wünschen, damit eben Nancibel davon verschont bleibt? Kennedy erreicht dies durch Empathie zu ihren erkennbaren Lieblingen, die sich in berührenden zwischenmenschlichen Szenen auf die Leserschaft übertragen.
Ausgerechnet im letzten Viertel des Buches schwächelt "Das Fest" erstmals ein wenig. Die Bewohner:innen ergötzen sich in Diskussionen über die britische Nachweltkriegspolitik, die für das damalige zeitgenössische Publikum sicherlich interessanter gewesen sein dürften als für uns heute. Zudem fehlt dem Finale - trotz eines eingefügten sehr gelungenen Nervenkitzels - vielleicht der ganz große Überraschungseffekt, da man bei der Lektüre mit der Zeit doch ein ganz gutes Gespür dafür bekommt, wer wohl zu den Todesopfern zählen wird. Letztlich haben mich diese kleineren Schwächen aber nicht besonders gestört.
Was den Roman für mich nämlich noch lesenswerter macht, ist, dass ich ein Faible für Geschichten habe, die entweder in Hotels oder in Zügen spielen, wie beispielsweise zuletzt "Was geschieht in der Nacht" von Peter Cameron, "Das perfekte Grau" von Salih Jamal oder "Ein Hummerleben" von Erik Fosnes Hansen. Ein Hotel erlebt so viele unterschiedliche Menschen und deren persönliche Schicksale, das wohl nahezu jedes von ihnen selbst Schriftsteller werden könnte. Auch das Pendizack wüsste von den dunklen Geheimnissen seiner Bewohner und Besitzer zu berichten - wenn es nicht durch den Felssturz für immer schweigen müsste...
Der 50. Geburtstag...
Der einst gefeierte Filmregisseur Jakob glaubt, alles verloren zu haben. Seine Karriere ist vorbei, seine letzte Beziehung über zehn Jahre her, er fühlt sich alt, der Körper ist schwach und der Kopf ohne Ideen. Es gibt nichts zu feiern, verkündet er am Morgen seines fünfzigsten Geburtstages. Doch seine beste Freundin Ellen ist anderer Meinung. Und sie schickt ihn auf eine Reise durch seine Vergangenheit. (Verlagsbeschreibung)
"Das ist das Letzte, was wir von unseren Eltern lernen: das Vergessen und das Sterben."
Jakob würde seinen 50. Geburtstag am liebsten ignorieren. Er sieht keinen Grund, den runden Jahrestag zu feiern - beruflich läuft es nicht, privat ebenso wenig, die meisten Freund:innen hat er eh längst aus den Augen verloren. Eine Freundin ist ihm jedoch geblieben, Ellen, und die denkt gar nicht daran, Jakobs 50ten einfach zu übergehen. Sie hat seinen Geburtstag geschickt durchorganisiert, so dass Jakob anfangs wie zufällig verschollen geglaubten Freund:innen begegnet, die dann wieder verschwinden, nur um dem oder der Nächsten Platz zu machen. Erst gegen Abnend dämmert es Jakob, dass von Zufall keine Rede sein kann.
Melancholisch und fast schon unfreiwillig komisch begleitet die Erzählung Jakob durch seinen Ehrentag. Mit jeder Begegnung kommen Erinnerungen hoch, alte Verletzungen, Gefühle und Sehnsüchte brechen sich Bahn, verlieren im Verlauf jedoch gleichzeitig an Gewicht, Missverständnisse lösen sich auf - etwas Leichtes bricht sich Bahn. Jakob selbst widerfährt an diesem Tag ein Missgeschick nach dem anderen, doch so ramponiert er körperlich am Ende auch sein mag, die Krusten seiner Seele lösen sich zusehends.
Die ungekürzte Hörbuchfassung (2 Stunden und 41 Minuten) wird ruhig und versiert von Bettina Hoppe vorgetragen. Ich habe Jakob gerne an seinem Geburtstag begleitet, dem Vortrag manchmal ungläubig gelauscht, dann wieder fasziniert und amüsiert. Hier gibt es keine tiefschürfenden Erkenntnisse, aber eine leise Wohlfühlgeschichte mit einer netten Botschaft.
Hörenswert!
© Parden